Der Betrachter und die Kunstheorien

"Die Kunst ist frei, und der Betrachter ist es ebenso. Er darf Ich sagen und dieses Ich gegen alle Künstler, Händler, Kritiker behaupten. Er muss sich nicht von anderen erzählen lassen, was er sehen soll. " ( Hanno Rauterberg: Und das ist Kunst? Eine Qualitätsprüfung, Seite 197, S.Fischer Verlag, 2007, ISBN 978.3-10-062810-7 )

Nach unserer Auffassung ein durchaus bedenkenswertes statement: Der letzte Satz bedarf allerdings einer Ergänzung. Er "muss" sich zwar nicht erzählen lassen, was er sehen soll, aber er kann sich erzählen lassen, was andere sehen. Das kann häufig zu einem eigenen Erkenntnisgewinn- gerade bei unterschiedlicher Wahrnehmung- und zu einer verbesserten Kritikfähigkeit, letztlich auch zur Schärfung der Argumentationsfähigkeit des "für" und "wider" beitragen. Vielleicht sogar zu einer gereiften Veränderung, Modifizierung und Weiterentwicklung der eigenen Position.

Das verhält sich ähnlich wie mit dem Gewissen: es ist zwar die letzte Instanz für Entscheidungen, die die Moral betreffen- aber um es verantwortlich wahrzunehmen, muss man es auch verantwortungsvoll "ausbilden" und "sensibilisieren". Wir erinnern uns in diesem Zusammenhang auch an die ersten, unbeholfenen Interpretationen von Büchern, Theaterschauspielen und Gedichten in der Schule. Erst durch Hinweise, Diskussionen- die wir nicht ganz unkritisch verfolgten, konnten wir uns allmählich immer feinfühliger und detaillierter in Interpretationen und Deutungen "einarbeiten".

Mögliche Alternativen übersieht man sonst möglicherweise; die Gefahr, dem ersten Eindruck verstärkt zu folgen und Alternativen auszulassen ist bereits aus psychologischen Gründen recht hoch. Mit dem ersten Blick, dem ersten Anschein bekommt man nicht selten eine farbige Brille aufgesetzt und nimmt dann bevorzugt nur noch bestimmte Farben wahr- eben das, was den ersten Eindruck bestätigt. Das kann eine gewisse Ähnlichkeit mit polizeilichen Ermittlungsverfahren aufweisen, bei denen am Ende schließlich ein Unschuldiger verurteilt wird. Da ist es durchaus sinnvoll, einen merklich anderen Startpunkt für die Weiterentwicklung der Wahrnehmung anzunehmen und darauf aufzubauen um eine dem vorliegenden Werk möglichst angemessene und in sich stimmige Lösung für eine Deutung des Gesehenen zu erhalten. So geht man übrigens auch nicht selten bei mathematischen Optimierungsverfahren vor, die auf der Evolutionstheorie aufbauen..

 

Zum Zitat von Rauterberg gehen wir noch einen Hinweis auf das, was uns ein Kunstexperte dazu vermitteln kann:

Wir beziehen uns dabei auf einen Aufsatz von Stefan Matjetschak: Sichtvermerke -. Über Unterschiede zwischen Kunst- und Gebrauchsbildern; enthalten in Stefan Majetschak (Hrsg.), Bildzeichen- Perspektiven einer Wissenschaft vom Bild, Wilhelm Fink Verlag, ISBN 3-7705-4205-3.

Matjetschak bezieht sich im folgenden auf ein Bild von Norbert Kricke, Zeichnung 76/10 (1976), die wir hier, übrigens wie Matjaschek selbst (die von ihm hergestellte Zeichnung wird im folgenden Text als Vergleichszeichnung bezeichnet), in ihrer grundsätzlichen- von uns selbst gezeichneten- Form abbilden, damit der Leser dem Text leichter folgen kann.


Eine Prinzipskizze von uns zur Zeichnung von Norbert Kricke

 

Dazu führt Matjetschak aus::

Seite 109
Kapitel II. Gebrauchs- und Kunstbilder

"Wenn man sich nun fragt, was Krickes Zeichnung den Weihestatus des Kunstbildes verleiht, dem Vergleichsbeispiel jedoch nicht, wird man bald bemerken, dass der kategoriale Unterschied beider Bilder offenbar in wichtigem Sinne damit zu tun hat, wie die beiden Inskriptionen betrachtet werden. Krickes Zeichnung betrachten wir gewissermaßen unabhängig von bildexternen Zwecken; wir schauen sie als solche im Blick darauf an, was das Bild uns zeigt. Der Betrachter fragt sich vielleicht, was es für ihn sichtbar werden lässt, und falls er banausisch genug veranlagt ist, eventuell auch, wie so etwas Kunst sein kann. Bei der Vergleichszeichnung ist dies prinzipiell anders. Sie wird als Beispiel für eine visuelle Inskription gebraucht, die Krickes Zeichnung in einigen Hinsichten vergleichbar ist, und insofern wird sie von Anbeginn im Lichte einer solchen Zwecksetzung gesehen. Ihre wahrnehmbaren Qualitäten stehen der Möglichkeit, ein Kunstbild zu sein, zwar nicht entgegen. Doch so betrachten wir sie zu Recht nicht, weil der Gebrauchszweck der Zeichnung für ihre Sichtbarkeit von vornherein formgebend war.

Zitat Ende.

Einleitend zum vorstehenden Abschnitt, der die Abgrenzung der künstlerischen von den nicht-künstlerischen Bildern behandelt, bemerkt der Autor, dass "wir" über keinen verbindlichen Kunstbegriff verfügen und ergänzt "diese Bemerkung ist trivial". Dem können wir nur zustimmen. Dann sind wir allerdings etwas darüber verwundert über seinen Satz: "Der Betrachter fragt sich vielleicht, was es für ihn sichtbar werden lässt, und falls er banausisch genug veranlagt ist, eventuell auch, wie so etwas Kunst sein kann."

Bei fehlendem Kunstbegriff erscheint uns die Frage "wie so etwas Kunst sein kann" durchaus naheliegend. Sie ist der Frage nach einem handbaren und plausiblen Kunstbegriff gleichwertig. Sofern der Zusatz "falls er banausisch genug veranlagt ist" wirklich erst gemeint ist und es sich nicht um eine seltsame Art von Humor handelt, ist die Unterstellung des Zitierten, dass ein sich "wie so etwas Kunst sein kann" Fragender letztlich ein Banause ist oder zumindest in dessen Nähe gerückt wird, mit Verlaub gesagt, ziemlich arrogant und anmaßend auf mich wirkend. Hier mag der Leser sich sein eigenes Urteil bilden : Banause = Spießer, kleinlich Gesinnter; ungeistiger , unkünstlerischer, kleinlich denkender Mensch, Krämerseele;. banausisch = ungeistig, unkünstlerisch, philisterhaft, geistig beschränkt, engherzig, kleinlich denkend. An der Formulierung "falls er banausisch genug veranlagt ist" besonders irritierend finden wir, dass sie einschüchternden Charakter auf den Betrachter des Werkes hat; eine offene Diskussion darüber, ob das gezeigte Bild ein Kunstbild sei- wie so etwas Kunst sein kann, wird behindert. Wer wird sich schon dem Verdacht aussetzen, dass er banausisch veranlagt oder gar ein Banause sei ?
Wir gehen aber dieses Risiko an dieser Stelle gerne ein.

Wir zitieren von benachbarter Stelle:" ... eine höchst reduzierte, ja in bestimmter Weise primitive Zeichnung- z.B. Norbert Kricks Zeichnung 76/10 ...kann ein Kunstbild sein (und ist es auch), obwohl sie die genannten Symptome des Ästhetischen- wenn überhaupt- in kaum zu unterbietendem Maße aufweist, eine andere, die ich hier als Vergleichsbeispiel gebrauche, ist es dagegen definitiv nicht."

Wie schön für den Zitierten, dass einer Theorie anhängt, die es ihm erlaubt, den Zusatz "und ist es auch" so sicher zu formulieren. Unsere eigene Lebenserfahrung - berufliche und private- ist es, dass Theorien an ihren Rändern leicht "ausfransen", d.h. in ihren Aussagen nicht selten widersprüchlich werden und auch zu absurden Schlussfolgerungen führen können. Das ist ein sicheres Zeichen dafür, dass die Theorie eben nicht vollständig das betrachtete System als Modell erfasst.

Bemerkenswert im hier betrachteten Zusammenhang erscheint uns auch die Aussage des Zitierten aus benachbarter Stelle: "...: Arthur Danto hat vermutlich recht, wenn er sich für die These stark macht, dass es überhaupt Interpretation sei, was gewöhnliche Dinge oder beliebige pikturale Inskriptionen zur Kunst verkläre. D.h. wir müssen eine Deutung finden, die es plausibel erscheinen lässt, die jeweilige bildliche Sichtbarkeitsordnung von ihrem intern erzeugten Eigensinn her zu verstehen, was in der Regel heißt, "eine Theorie anzubieten, worüber das Werk ist und was sein Sujet ist."

Für Danto ist also die Interpretation eines Werkes hinsichtlich seines Charakters als "Kunstwerk" oder als "gewöhnliches Ding" entscheidend. Dem können wir voll zustimmen. Der Bezug auf die Plausibilität einer Theorie und Deutung führt allerdings wieder in die Subjektivität- was für den einen plausibel ist , kann für den anderen völlig nichtplausibel sein. Da hilft unter Umständen auch die beste Theorie insbesondere an ihren "Rändern", bei den Grenzfällen also, nicht weiter. Insofern kann sich der Schreiber dieser Zeilen durchaus mit dem von Zweifeln geplagten banausisch veranlagten Betrachter identifizieren.

Wenn also Kunst nach Danto eine Sache ist. "deren Existenz von Theorien abhängig ist", dann lohnt es, sich unter diesem Aspekt die Argumentation des Kunstexperten zur Zeichnung Krickes näher anzusehen um zu erfahren, was Krickes Werk letztlich den "Weihestatus des Kunstbildes" verleiht:
" Im Falle von Krickes Zeichnung trifft dies sicher zu. Denn man muss mit einer bestimmten Tradition der modernen Kunst bekannt, beispielsweise mit dem schwingenden, dynamischen Gestus der Linien in den Zeichnungen von Krickes Düsseldorfer Akademiekollegen Rolf Sackenheim vertraut sein. ... , um "plötzlich" die bewusste Unbeholfenheit seiner Linie zu sehen, die sich Sackenheims Dynamik entgegen- und diese als essentielles Moment von Zeichnung in Frage stellt."

Das eröfnet für den nächsten Künstler die gewiss sehr lohnenwerte Aufgabe, durch ein weiteres Werk wiederum Krickes Aufffassung in Frage zu stellen, and so on ...

Wir verweisen im Übrigen auf die Originalliteratur und wollen diese Begründung dafür, dass Krickes Zeichnung ein Kunstbild ist, nicht näher kommentieren - obgleich wir unseren Status als banausisch veranlagter Betrachter schon sicherlich gefestigt haben und auf dieser Grundlage aufbauen könnten. Der Leser mag sich hierzu sein eigenes Urteil bilden. . .

Nachdem unser Ruf nun völlig ruiniert ist, geben wir freimütig noch weiteres zu: Sofern wir uns überzeugen ließen, dass das Werk von Kricke als Kunstwerk zu betrachten sei- was letztlich auf eine Überredung zu einer bestimmten Definition von Kunstwerken und Kunst hinausliefe- die uns doch ein wenig einseitig erscheint- würde sich uns sofort die Frage nach der Qualität von Kunstwerken oder Kunst stellen: Gibt es "gute" Kunst und "schlechte" Kunst ? Ist der Gegensatz von "guter" Kunst - "schlechte" Kunst oder "gar keine Kunst"? Das sind keine neuen Fragen- aber nach unserer Auffassung- durchaus bedeutsame! Da wir hierfür auch keine verbindliche Antwort wissen, würden wir uns hinsichtlich der Beurteilung des Werkes wieder auf die möglichen Wirkungen von Kunstwerken auf den Betrachter zurückziehen, die wir an anderer Stelle in dieser Webseite aufgeführt haben. Natürlich ist diese Wertung oder Beurteilung von Werken auch sicherlich subjektiv, jedoch kann sie unseres Erachtens zu differenzierterer Erkenntnis führen als die Beurteilung des Werkes nach dem Kriterium von Danto. Letztlich ist es für uns sogar völlig gleichgültig, ob das betrachtete Werk durch irgendeine Theorie als Kunstwerk oder nur als Mittel für einen externen Zweck- z.B. für eine Erbauung von Gläubigen-. betrachtet wird. Beide Kriterien wird man häufig in einer Gemengelage vorfinden- worauf übrigens auch der von uns Zitierte hinweist. Was ist letzlich der mögliche Erkenntnisgewinn für uns durch dieses Werk, was sein Angebot an uns insgesamt? Der mögliche Erkenntnisgewinn durch die Zeichnung von Kricke erscheint uns auch im Angesicht einer Theorie- pardon- ziemlich dürftig zu. Die Einladung zu einer Interpretation, zum Bilden einer Theorie, wie sich das hier betrachtete Werk auf sich selbst oder auf die Kunst als solche bezieht, geht an uns- banausisch veranlagt, wie wir nun einmal sind- unbeachtet vorüber. Entscheidend für unsere Bewertung der Qualität eines Werkes bzgl. seines "Kunstcharakters" ist nach unserer Auffassung eine ganze Reihe von Faktoren und Kriterien. Ob das Werk- hier speziell ein Bild- von einem Experten aufgrund einer recht eng ausgerichteten und ausgelegten Kunsttheorie als Kunstbild bewertet wird, ist uns persönlich ziemlich gleichgültig. Wir können unsere Zeit sinnvoller mit anderen Fragen, die "Kunstwerke" und "Kunst" betreffen- etwa mit ihren potentiellen Wirkungen auf einen Betrachter- ausfüllen. Auch da sind wir uns natürlich unseres subjektiven Standpunktes durchaus bewusst.

Sicherlich sind wir hier ein wenig "polemisch" geworden- dies allerdings im Sinne einer Unterstützung des obigen Zitats von Rautenberg- der Zweck hat hier hoffentlich die Mittel geheiligt. Der Leser möge deshalb unsere Bemerkungen eher als Anregung verstanden wissen, skeptisch gegenüber Kunsttheorien- und Theorien gegenüber allgemein- zu sein. Sapere aude ! Eine Alternative geben wir hierfür aber auch an: "Credo quia absurdum". Ein wichtiges Kriterium für die allgemeine Gültigkeit von Theorien ist, dass sie auch an ihren Rändern- auch in extremen Bereichen also- noch zu glaubwürdigen, plausiblen, schlüssigen Ergebnissen führen. Dies wird in häufigen Fällen nicht gegeben sein- was aber nicht grundsätzlich gegen die Anwendbarkeit der betreffenden Theorie in einem größeren Bereich spricht- allerdings im Bewusstsein, dass da eigentlich "noch mehr ist". Eine Theorie zu "verabsolutieren" und überstrapazieren ist allerdings gefährlich- was in der Folge aber auch zu neuen Erkenntnissen führen kann und insgesamt dann durchaus positiv zu bewerten ist. Wir warnen nur vor allzu selbstsicherem Gebrauch von Theorien, insbesondere bei solchen, denen unschwer eine gewisse Einseitigkeit anzusehen ist.

Wir wollen die Betrachtung hier schließen, auch wenn es sich anbieten würde, im hier betrachteten Zusammenhang auf weitere Ausführungen des Zitierten einzugehen. Nicht wenige Ausführungen halten wir für diskussionswürdig: "Kunstbilder-... zielen häufig darauf, mit überkommenen Darstellungs- und Sichtkonventionen zu brechen, um dadurch neue Ordnungen des Sichtbaren, neue Weisen des Sehens, herauszuarbeiten." Wird die neue Weise des Sehens rein durch "stilistische" Mittel erreicht ? - oder kann dies auch durch spezielle Inhalte erreicht werden? Oder gilt da da ein sowohl als auch? Was taugt die neue Sichtweise, wenn es so gut wie nichts zu sehen gibt? Das Maß für die "Kunst" ist nach unserer Auffassung letztlich ihre Wirkung auf den Menschen - die Beschäftigung der Kunst mit sich selbst (Beispiel : die Zeichnung von Kricke) erscheint uns dazu weniger geeignet zu sein. Ja, ja, wir wissen, das war jetzt wirklich ziemlich zugespitzt! Wir verweisen im Übrigen dazu den interessierten Leser auf die Originalliteratur, da wir hier schon aus Platzgründen nicht auf alle Aspekte des Artikels eingehen konnten.


Anhang :

Ein zusätzlicher Hinweis zu Arthur C. Danto -

Michael Hauskeller: Was ist Kunst, becksche Reihe, 2005, ISBN 3 406 45999 4

Seite 101:
"Doch muss man zuweilen um den Bezug wissen, in den ein Gegenstand vom Künstler hineingestellt wird, um ihn als Kunstwerk zu identifizieren zu können.

Ein Kunstwerk hat Eigenschaften, die ein gewöhnlicher Gegenstand nicht hat, jedoch unsichtbare. Wenn ich weiß, worüber es ist, verändert sich vielleicht meine Wahrnehmung, aber nicht derart, dass ich nun etwas sehe, was mir vorher entging. Wenn ich etwas anderes sehe, dann deshalb, weil an die Stelle eines bloßen Dinges ein Kunstwerk getreten ist. Das Ding wird zur Kunst durch die Möglichkeit seiner Interpretation. Läßt etwas keine Interpretation zu oder bedarf es ihrer nicht, kann es sich nicht um Kunst handeln.

Die Wirkung der Kunst beruht also nicht ...- auf so etwas wie einem unvermittelten, gedankenfreien Stoß. Danto zufolge macht erst die Interpretation ein Werk zu dem, was es ist, wobei sich nicht jedes Ding für jede beliebige Interpretation eignet. Interpretieren bedeutet, die Beziehung zwischen dem Werk und seinem materiellen Substrat aufzuzeigen, und das wiederum setzt voraus, dass es eine solche Beziehung gibt. "

Ende des Zitats.

Da sollten wir die Phantasie der Kunstexperten nicht unterschätzen- wir haben schon ganz erstaunliche, ganz phantastische Interpretationen gelesen, die eine "Beziehung zwischen dem Werk und seinem materiellen Substrat" aufgezeigt haben- aufzeigen sollten. Dabei haben wir insgeheim allerdings- ganz persönlich- daran gezweifelt, ob diese Interpretation nicht doch vielleicht an den Haaren herbeigezogen war. Wir wollen aber allerdings hier nicht ablästern, das wäre etwas "billig" und auch unangemessen, sondern nur dem Leser die Möglichkeit geben, zum Grundsätzlichen der Theorie von Danto sich seine eigene Auffassung zu bilden.

Ein Zweifel, unser eigenes Werk betreffend, plagt uns noch, hervorgerufen durch den Satz des obigen Gesamt-Zitats: "Krickes Zeichnung betrachten wir gewissermaßen unabhängig von bildexternen Zwecken; wir schauen sie als solche im Blick darauf an, was das Bild uns zeigt."

Krickes Werk handelt in der Interpretation des Zitierten vom Wesen der Zeichnung und revoltiert gegen den Geist des Informel, auch wenn der Zitierte in dieser Beziehung ein wenig unbestimmt bleibt: "... kann zu einer Interpretation führen, ... die uns davon sprechen lässt....". Das Werk hat in diesem Sinne keinen externen Bezug, da es sich vollständig auf die Kunst des Zeichnens und die Kunstgeschichte bezieht. Die Schlussfolgerung daraus ist aber eindeutig: "Eine solche oder eine vergleichbare Interpretation macht Krickes Zeichnung zum Kunstbild.

Wir fragen uns allerdings, ob die Theorie von Danto nicht doch zu allerlei abstrusen Deutungen und Schlussfolgerungen einlädt: Ist nun ein Plakat mit der Aufschrift: "Das ist Kunst" nicht selbst Kunst; es kann immerhin als Protest gegen die Auffassungen der modernen Kunst aufgefasst werden. Als Gebrauchsbild kann es wohl nicht gelten. Ist es dann also ein Kunstbild? Und theoretisch ist dieser Fall nicht, er ist innerhalb einer Spaßaktion bereits real aufgetreten. Es sollte wohl auch nicht allzu schwierig sein, ein Werk so anzufertigen und zu deuten, dass es als "Revolte" gegen den Geist von Krickes Zeichnung interpretiert werden kann. Da wird nach unserer Auffassung eine Tür zur Gestaltung von Werken aufgestoßen, deren Sinnhaftigkeit und Wirkung auf einen Betrachter uns sehr fragwürdig erscheint. Auch hier möge sich der Leser sein eigenes Bild machen.

Wenn die vorwiegenden Themen unseres Werkes mit einem Angebot an den Betrachter verbunden sind, einen Zusammenhang zwischen dem Werk und seinen eigenen Lebensinhalten herzustellen und damit ein "Sinnempfinden" zu generieren- haben diese Werke einen bildexternen "Zweck" !? Gibt es jetzt dafür Punktabzug? Weil das Werk schließlich nur ein "Gebrauchsgegenstand" im erweiterten Sinne ist !? Der Titel des zitierten Beitrags : "Über Unterschiede zwischen Kunst- und Gebrauchsbilder" deutet in dieser Gegenüberstellung ebenfalls auf Punktabzug hin.

Was hinter dieser Fragen steht, ist unsere Auffassung, dass die augenscheinlich verpönten "bildexternen" Zwecke nicht ganz deutlich abgegrenzt sind. Sind Zwecke, die auf den Belange des Betrachters und seines Lebens direkt gerichtet sind, auch in diesem abwertenden Sinne "extern"? - und degradieren sie das Werk zum Gebrauchsgegenstand? Ist die Kunst aber nicht primär für den Menschen da? Man möge diese Fragen unserer Naivität in Angelegenheiten der Kunst zu Gute halten- aber sind diese Fragen wirklich so naiv?

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